1.3. Nonverbale Mittel
Text ist eine kommunikative Handlung, die durch eine Kombination aus verbalen und nonverbalen Mitteln realisiert werden kann. Nonverbale Form- und Gestaltungsmerkmale des Textes werden in den vorliegenden Analyseansätzen meist nicht zum 'Text" im engeren Sinne gerechnet und daher nicht ausdrücklich erwähnt. Nur Thiel (z.B. 1978a) verweist auf die Bedeutung der "äußeren Textgliederung" und "optischer Markierungen".
Je nach dem Kommunikationsmedium müssen bei der Ausgangstextanalyse im textinternen Bereich unterschiedliche Typen nonverbaler Textelemente einbezogen werden, die sowohl Text begleitende Funktion (z. B.Layout) als auch Text ergänzende Funktion (z. B. Tabellen) oder textteilkonstituierende bzw. textteilersetzende Funktion (z. B. Bild im Comic, Tabu-Wörter ersetzende Gebärden) haben können.
In der (mündlich realisierten) Face-to-face-Kommunikation sind es vor allem gestische und mimische Signale (z.B. Stirnrunzeln, Augenzwin¬kern) sowie Körperbewegungen (z.B. erhobener Zeigefinger, An-die-Stirn-Tippen). Leonhard (1976, 42) unterscheidet die sog. Ausdrucksbe-wegungen" (Gestik, Mimik, Phonik) von den "Zweckbewegungen der ge¬genseitigen Verständigung" (Gebärden). Gestik ist, so Leonhard, ein universelles Phänomen, das abgesehen von Temperamentsunterschieden allen Völkern gemeinsam sei, das jedoch auch kulturspezifischen Konventionen unterliegen könne (1976, 49). Die Gebärden sind dagegen eindeutig kulturgebunden. Daher ergibt sich für den Translator in der Dol¬metschsituation oft die Notwendigkeit, die Gebärden des Vortragenden mit verbalen Mitteln zu verdeutlichen, falls es sonst zu Mißverständnissen kommen könnte. Denn der Zieltextrezipient sieht in diesem Falle ja die Gebärden des Ausgangstextproduzenten, während der Translator in seiner Kabine nicht als "Sender" empfunden und eventuelle Gesten sei¬nerseits in der Regel auch nicht wahrgenommen werden.
Bei der mündlichen Rede gibt es nun aber auch Situationen, in denen der Hörer wegen großer räumlicher Entfernung die mimischen und gestischen Signale des Redners und seine Gebärden (etwa bei einer Wahlrede) nicht wahrnehmen kann oder die spezifische Textfunktion den Einsatz solcher Signale verbietet. Dann werden diese nonverbalen Zeichen in zunehmender Maße durch suprasegmentale sprachliche Zeichen wie Intensitätsakzent, Intonation, Verlangsamung der Redege¬schwindigkeit etc. ersetzt, die sogar zu Textsortenmerkmalen werden können.
Bestimmte nonverbale Merkmale von Texten können auch sortentypisch sein, wie zum Beispiel die nicht zu Ende geführte Zeile bei traditionellen poetischen Texten oder auch das "Kleingedruckte" in Vertragstexten. Die auffälligen Abstände zwischen den Textabschnitten im Textbeispiel I sind z.B. untypisch für einen wissenschaftlichen Text und lassen eher an einen literarischen Text denken.
Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Art von Gestal¬tungsmitteln nicht in jedem Fall auf eine Senderintention zurückgehen muss - Verleger, Lektoren, Setzer etc. können unter Umständen darauf Einfluß nehmen. Für die Wirkung auf den Rezipienten spielt dieser Gesichtspunkt jedoch keine erhebliche Rolle, so dass der Translator für einen Skopos der "Wirkungsäquivalenz" alle Arten von nonverbalen Elementen bei der Analyse berücksichtigen muss. Illustrationen, Pläne, Darstellungen von Handlungsabläufen etc. sind konventionelle Textergänzungen bei Betriebsanleitungen (vgl. Hornberger 1972, 67f.) oder integrierender Bestandteil bei Montageanleitungen. Zur "Analyse" (und anschließenden Translation) solcher Texte kann es auch gehören, dass der Translator versucht, die Anleitung selbst zu befolgen. Dadurch kann er die Kohärenz von Text- und Bild¬material überprüfen.
Die Analyse der nonverbalen Textelemente ergibt in der Regel Hinweise auf den Aufbau (z.B. durch Absätze, Drucktypenwechsel), auf Präsuppositionen (z.B. durch "Auslassungspunkte"), auf die Lexik (z.B. durch Mienenspiel, wenn das Gesagte ironisch verstanden werden soll) und auf die suprasegmentalen Merkmale (z.B. durch die verkürzte Zeile im Gedicht). Von den textexternen Faktoren sind es vor allem die Faktoren Senderintention und Textfunktion, die durch bestimmte nonverba¬le Elemente charakterisiert werden.